
Brigitte Bornemann, Bundesvorsitzende und Dr. Hartmut Knopp, Bundesgeschäftsführer Bessarabiendeutscher Verein e.V.
Die bessarabische Region der Ukraine ist der südwestliche Zipfel, von Odessa bis zur Donaumündung. Im Norden grenzt die Republik Moldau an, beides zusammen war die historische Provinz Bessarabien, in der von 1814 bis 1940 deutsche Siedler lebten, unsere Vorfahren, die 1945 durch Umsiedlung und Flucht nach Deutschland zurückkehrten und sich zum großen Teil im Stuttgarter Umland niedergelassen haben. Zu unseren Herkunftsdörfern in Bessarabien pflegen wir einen engen Kontakt, seit dies 1989 politisch möglich wurde. Wir sind dort durch Bildungsreisen, Jugendaustausch und humanitäre Hilfe präsent und bekannt mit vertrauenswürdigen Personen, u.a. Ortsvorsteher, Sozialstationen, Kirchengemeinden, Kulturvereine, mit denen wir in der jetzigen Kriegssituation zusammenarbeiten können.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine zieht auch die Dörfer unserer Vorfahren in Mitleidenschaft. Die Region war bisher nicht im Fokus von Kampfhandlungen, doch die Zerstörung der zivilen Infrastruktur, speziell der Energieversorgung, greift auch hier. Bessarabien ist ein Rückzugsort für Binnenflüchtlinge, manche Dörfer haben jetzt die doppelte Einwohnerzahl, die versorgt werden muss. Dies bei Teuerung, Versorgungsengpässen und einer zusammengebrochenen Wirtschaft. Was ein Kriegswinter bedeutet, wissen die Älteren unter uns noch genau.
Die Hilfsbereitschaft der bessarabiendeutschen Nachfahren ist enorm. Gleich bei Kriegsbeginn hat sich die Hilfsorganisation „Ermstal-Hilft“ gegründet, um über unseren kleinen Verein hinaus Nothilfe für Bessarabien zu organisieren. In den zurückliegenden 11 Kriegsmonaten wurden insgesamt 450.000 EUR an Geldspenden und ungezählte Sachspenden gesammelt und in 42 Transporten mit insgesamt 60 Tonnen Hilfsgütern nach Bessarabien gebracht. Neben Grundnahrungsmitteln, Hygieneartikeln und warmer Kleidung bringen wir Medikamente, Katastrophenschutzausstattung und im jetzigen Winter die dringend benötigten Notstromaggregate, um die Grundversorgung mit Energie und Wasser in den Gemeinden aufrechtzuerhalten. Die Hilfsgüter werden mit privaten Fahrzeugen über Ungarn und Rumänien direkt in unsere Dörfer gebracht, von wo aus sie im Beisein von Vorstandsmitgliedern unseres Vereins in der Region verteilt werden. Es werden Verteilerzentren und Wärmestuben mit Essensausgabe eingerichtet. Dabei geht die Initiative von der ukrainischen Seite aus, wir wurden überrascht von einem bürgerschaftlichen Engagement, das sich vor dem Krieg in dieser Tiefe nicht zeigen konnte. Die konsularischen Vertretungen haben uns bestätigt, dass unsere Hilfe vor allem deshalb wichtig ist, weil sie die kleinen Dörfer erreicht. Die staatlichen und internationalen Hilfen erreichen hingegen eher die Metropolen.
Auf der Rückfahrt nehmen unsere Fahrer Flüchtlinge aus der Ukraine mit, meist Frauen und Kinder. Vor allem in den ersten Kriegsmonaten kamen insgesamt 435 Personen, die in Privatunterkünfte vermittelt und betreut wurden.
Trotz des Krieges versuchen wir die kulturelle Zusammenarbeit weiter zu pflegen. Im Sommer 2022 hatten wir wieder einen Austausch von Schülern und Studenten von Bad Urach mit den Universitäten Ismail und Odessa. Unser Bauernmuseum in Friedenstal wird weiter betrieben. Etliche Ortsmuseen arbeiten mit uns zusammen und stellen auch die Kultur der deutschen Ortsgründer dar. Das zentrale kulturgeschichtliche Museum in Sarata will etwa die Hälfte seiner Ausstellungsfläche für die deutsche Vergangenheit bereitstellen, dies wird eines der größeren Projekte nach Kriegsende.
Die völkerverbindende Kulturarbeit der Bessarabiendeutschen in der Ukraine hat respektvolle Beziehungen und persönliche Freundschaften hervorgebracht, die sich in der Not des Krieges bewährt haben. Wir wünschen uns und möchten mithelfen, dass die Wiederaufbauprogramme nach dem Krieg auch in ländlichen Regionen greifen, und dass auch der Kulturaustausch dabei nicht zu kurz kommt.
Bessarabiendeutscher Verein e.V.
Internetseite: https://www.bessarabien.de/