Theresa Rinecker, Generalsuperintendentin in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und Co-Gastgeberin der Christlichen Begegnungstage 2024 in Frankfurt (Oder) – Słubice, singt ihr Lieblingsadventslied und schreibt uns, warum es gerade diese Weise ist.
Der Weg der schwangeren Maria ist dornig, so besingt es das Lied, und doch erwacht auf ihrer Wanderschaft neues Leben. Auch in einem abgestorbenen Dornenwald treiben wieder Rosen und frisches Laub. Davon singt ganz sanft und vorsichtig dieses Adventslied. Ich mag es, auch weil es behutsam ist und den Triumph auslässt. Stattdessen erklingt immer wieder ein Kyrieleis. Herr, erbarme dich. Und ich mag es, weil es eine meiner liebsten biblischen Geschichten besingt. Maria, so jung, wird mit ihrer ganzen Existenz herausgefordert, als Gott sie ins Licht stellt und sie direkt anspricht. Was für eine verwirrende Erfahrung. Und Maria sagt dazu Ja und geht los zu ihrer Cousine Elisabeth. Ihr Weg führt übers Gebirge, so erzählt es das Lukasevangelium. Die Geschichte der jungen Frau wird mit der der älteren verschränkt. Beiden wird von Gott viel zugetraut, beide erleben ein Wunder. Erleben, wie sie unter dem Blick der göttlichen Liebe überhaupt erst zu sich selbst kommen und die werden, die sie sind. Maria, das junge, unsichere, überraschend mutige Mädchen, Elisabeth, die ältere, bis dahin vom Leben enttäuschte Frau. Neue Energie, neue Hoffnungen werden wach und Liebe strömt über, das Leben, das eben noch eng und begrenzt erschien, öffnet neue Horizonte und Möglichkeiten.
Und das Lied besingt Jesus, der schon im Mutterleib – gewissermaßen vorwegnehmend – durch Dornen getragen wird. Später dann wird auch aus Jesu Dornentagen neues Leben entstehen. Aber schon als „das Kindlein durch den Wald getragen, da haben die Dornen Rosen getragen. Jesus und Maria.“
Dass alles wird nicht erzählt und besungen, damit wir es von Ferne als Geschichte aus längst vergangener Zeit bewundern, sondern damit wir hineingezogen werden. Diese Welt braucht erzählte und gesungene Geschichten von persönlicher und gemeinschaftlicher Wandlung. Damit aus Todesstreifen Lebensraum wird. Kyrieleis. Singt doch leise mit: Da haben die Dornen Rosen getragen.