Zur Geschichte des Ostkirchen-Instituts in Münster

Prof. Peter Maser erinnerte in seinem Vortrag auf der Jahrestagung des Konvents der ehemaligen evangelischen Ostkirchen e.V. in Hannover am 27. April 2023 an die Anfänge des Ostkirchen-Instituts in Münster, für das er viele Jahre und zuletzt als Direktor, von 2004 bis zur Schließung des Instituts 2008, im Auftrag der EKD tätig war. Er vermittelt, wie das Institut über die Jahrzehnte hinweg seinen Auftrag unter wechselnden Zeitströmungen erfüllt hat. Mit Einverständnis des Autors geben wir eine Zusammenfassung und Auszüge seines Vortrags wieder. 

„Im Ostkirchenausschuß (OKA) hatte es seit längerem den Wunsch gegeben, die kirchliche Vertriebenen- und Flüchtlingsarbeit durch eine wissenschaftliche Einrichtung zu unterfüttern und zu begleiten. Am 27. November 1957 konnte schließlich nach längeren Beratungen zwischen Ostkirchenausschuß, EKD und der Universität Münster mit ihrer Evangelisch-Theologischen Fakultät das neue Institut feierlich eröffnet werden.(…) Prof. Robert Stupperich (1904-2003), der frisch ernannte Direktor des OKI, hielt den Festvortrag zum Verhältnis der orthodoxen Kirche zum Staat.“ 
In der Wahl des Themas durch den Gründungsdirektor sieht Maser bereits die Problematik angelegt, die das Institut bis zum seinem Ende begleitet habe: Der Begriff „Ostkirchen“ verweist eindeutig auf die orthodoxen Kirchen. Das Anliegen zur Gründung des Instituts zielte hingegen auf die ostdeutsche Kirchengeschichte, also die Geschichte der evangelischen bzw. protestantischen Kirchen im östlichen Europa und ihr religiöses Umfeld, das häufig durch die orthodoxe Kirche geprägt war.  Maser konkludiert: „Die Doppelgesichtigkeit des OKI bedeutete Stärke und Schwächung zu gleich. Rückblickend muß man schlicht sagen, die orthodoxen Kirchen und ihre Themen interessierten damals und in den Folgejahren auch im Licht von allerlei ökumenischen Hoffnungen einfach breitere Kreise, auch in der EKD, eindeutig mehr als die Probleme der Flüchtlinge und Vertriebenen.“

Das Institut begann seine Tätigkeit zunächst als sog. An-Institut der Universität Münster, bevor es später vollständig in die Evangelisch-Theologische Fakultät integriert werden konnte. „Im Mittelpunkt der alltäglichen Institutsarbeit standen die Lehrveranstaltungen, also Vorlesungen und Seminare, wobei festzuhalten ist, daß dem Zeitgeist entsprechend das Interesse der Studierenden an klassisch-ostdeutschen Themen im engeren Sinne rapide zurückging, es sei denn, dabei wurden weitergreifende Themenbereiche angesprochen.“

Das Institut brachte das Jahrbuch „Kirche im Osten“ heraus, von dem insgesamt 43 Bde bis zum Jahr 2000 erschienen sind. Begleitet wurde diese jährliche Sammlung von gelehrten Aufsätzen zur osteuropäischen Kirchengeschichte und Kirchenkunde, Buchbesprechungen und einer breit rezipierten Chronik der Ereignisse in den Kirchen jenseits des „Eisernen Vorhangs“ durch eine Reihe von insgesamt 20 Monographien als Ergebnis der Forschungen der Mitarbeiter des Instituts.
„Die „Ostkirchen Information“ (OKI) standen mit dem Institut nur in einer losen Verbindung. Vor allem die Literatur-Berichte in der OKI wären ohne den Hintergrund der Institutsarbeit allerdings nur schwer möglich gewesen.“ 
Ein besonderer Schatz des OKI-Instituts konnte über seine Schließung hinaus gerettet werden: Die Bibliothek. Sie wird heute als Sonderbestand mit der vorgesetzten Sigle “OKI“ und den originalen Siglen des Ostkirchen-Instituts im katholischen Ökumenischen Institut Münster geschlossen bewahrt und über die elektronischen Systeme der Universitäts- und Landesbibliothek im internationalen Leihverkehr weiterhin verfügbar gehalten. „Über viele Jahre hinweg hütete das Ostkirchen-Institut treuhänderisch übrigens auch einen besonderen Schatz, gemeint ist die Bibliothek der Gemeinschaft evangelischer Schlesier, die von Pastor Mag. Dietmar Neß mit großer Akribie betreut wurde.“ Diese Bibliothek ist heute in Görlitz angesiedelt und wird durch die Kirchliche Stiftung Evangelisches Schlesien betreut. 

Nach der politischen Wende 1989/90 in Mittel- und Osteuropa veränderten sich auch für das OKI-Institut die Rahmenbedingungen. Kontakte mit Wissenschaftlern aus den Herkunftsregionen der Heimatvertriebenen erhielten eine neue Dynamik, flankiert durch die neuen Möglichkeiten der Kommunikation durch das Internet. Das Ostkirchen-Institut nahm 2001 in Kooperation mit dem Verein für ostdeutsche Kirchengeschichte zusammen mit dem Fachausschuß Geschichte der EKMOE einer Serie von wissenschaftlichen Tagungen auf, die jetzt am Ort des Geschehens des jeweils behandelten Themas stattfinden konnten. „Die erste Tagung zur „Diakonie“ fand im Oktober 2001 im Diakonissenmutterhaus Eben-Ezer in Dzięgielów, im Teschener Schlesien, statt. Die Begegnungen mit den dortigen Diakonissen bleiben unvergeßlich.“ Die Ergebnisse dieser Tagungen wurden in den „Beiträgen zur ostdeutschen Kirchengeschichte“ dokumentiert. Es folgte eine Tagungen in Prag 2002, ein Jahr später fand man sich im Weinbauort Sväti Jur/St. Georgen bei Bratislava/Preßburg zum Thema „Kirchengeschichte in Lebensbildern. Lebenszeugnisse aus den evangelischen Kirchen im östlichen Europa des 20. Jahrhunderts zusammen. 
„Die Erträge der Folgetagungen in Berlin (2004), Riga (2005), Vilnius/Wilna (2006) und Breslau (2006) wurden auf 330 Seiten 2007 in Band 8 der „Beiträge“ zusammengefaßt und behandelten die Themen „Evangelische Kirchen und Kultur im östlichen Europa“, „Die Bedeutung der Kirchen für die Integration im Ostseeraum“ sowie „Fragen an Kirche und Theologie – Fluchtbewegungen, Vertreibungen, Umsiedlungen, Grenzverschiebungen im 20. Jahrhundert“. Eine allerletzte Tagung unter dem Titel „Heimat, Flucht und Vertreibung. Ein literarischer Erinnerungsgang durch das östliche Europa und seine Glaubenswelten im 20. Jahrhundert“ fand im September 2007 in Budapest statt. Die Budapester Vorträge konnten dann allerdings nicht mehr veröffentlicht werden, denn im Sommer 2008 erlosch, anders kann man es nicht beschreiben, das Ostkirchen-Institut in Münster.“

(mit freundlicher Genehmigung des Autors Prof. Dr. Peter Maser auf der Grundlage des Manuskripts seines Vortrags „Das Ostkirchen-Institut in Münster“ gehalten am 27. April 2023)