Seit 1992 besteht die Evangelische Kommission (heute Konferenz) für Mittel- und Osteuropa (EKMOE) in der EKD. Am 31. Mai kam sie im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung in Berlin zu ihrer diesjährigen Tagung zusammen. Mehr als 30 Vertreterinnen und Vertreter aus Landeskirchen, Diakonischen Einrichtungen, freien Werken und Hilfskomitees nutzten die Möglichkeit zur Information und zum Austausch über aktuelle Fragen der Partnerschaftsarbeit mit ihren kirchlichen Nachbarn in Mittel- und Osteuropa. Der Konvent der ehemaligen evangelischen Ostkirchen e.V. war durch Christfried Boelter (Gemeinschaft evangelischer Posener e.V.) und Martin Herche (Gemeinschaft evangelischer Schlesier (Hilfskomitee) e.V.) vertreten. Schwerpunkt der Tagung war der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die mit der Konfliktsituation einhergehende Transformation religiös geprägter Ikonographie. Darüber hinaus gab es Vorträge zur Situation in Belarus und in Russland.
Religiöse Ikonographie in Kriegszeiten
Die aus Kiew stammende Ukrainerin Lidiya Lozova, Gastwissenschaftlerin am Institut für Theologie und Religion der University of Exeter referierte zur religiösen Ikonographie in Zeiten des Krieges. Sie zeigte an konkreten Beispielen, wie Ikonen, die klassischerweise als „reine Theologie“ verstanden werden, nun sowohl auf russischer als auch auf ukrainischer Seite mit gegensätzlichen Intentionen „Kriegsbedeutung“ erlangen. So werde z.B. in der Ukraine die seit Jahrhunderten bekannte Ikone Christus von Edessa, die östliche Variante der „Veronica“ für eine Kriegszeit bezogene Aktualisierung genutzt. Sakrale Motive würden von zeitgenössischen Künstlern aber auch für Bilder, die nicht als genuin religiös verstanden würden, genutzt. Charakteristisch sei auch die Verwendung von Kriegsmaterialien für die Schaffung neuer Trost-, Mutmach- und Hoffnungsbilder.
In der Diskussion wurde dann u.a. die Gefahr einer Sakralisierung des Krieges durch die Aufnahme religiöser Ikonographie thematisiert.
Über die aktuelle Lage in Belarus
Anhand ihrer eigenen Biografie präsentierte die Minsker Bürgerrechtlerin und Theologin Natalia Vasilevich, z.Z. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte in Belarus. Dabei legte sie den Fokus auf die Entwicklung der Rolle der Kirchen im Zusammenspiel mit der Zivilgesellschaft bzw. im Gegenüber zur staatlichen Gewalt. Die anschließende Diskussion berührte die Situation angesichts der politischen Repression in Belarus und die kirchlichen Stimmen zur Entwicklung im Land.
Interview mit Vater Andrey Kordochkin
Der Priester der russisch-orthodoxen Gemeinde in Madrid, Vater Andrey Kordochkin, berichtete im Interview mit OKR Prof Dr. Martin Illert von den Aktivitäten russisch-orthodoxer Geistlicher, die sich für den Frieden in der Ukraine einsetzen und die Legitimierung und Unterstützung des russischen Angriffskrieges durch ihre Kirchenleitung mit Patriarch Kirill kritisch ablehnen – und von den Folgen, die es für sie hat. Vater Kordochkin, der zu den Unterzeichnern eines kritischen Briefes an Patriarch Kyrill gehört, wurde selber für drei Monate von seinem Dienst suspendiert.
In der Diskussion wurde u.a. die grundsätzliche Frage der Befürwortung des Krieges auf der Grundlage des Evangeliums sowie die Optionen für kirchliche und ökumenische Initiativen zum Gespräch mit Vertretern des Moskauer Patriarchats thematisiert.
Arbeitsgruppen
In Arbeitsgruppen gab es einen Austausch zu den Themen „Kirchliches Engagement in Belarus und Russland“, „Kirchliches Engagement von Estland bis Moldova“ und „Ukrainehilfen (mit Impuls der DKH)“. Dabei wurden zum einen wichtige Initiativen und Tätigkeitsbereiche der Beteiligten einander vorgestellt, zum anderen wurden praktische und koordinatorische Fragen der Hilfen und darüber hinaus auch theologische, friedensethische und ökumenische Fragen der Kirchenkontakte bis hin zu Fragen nach Selbst- und Fremdbildern der Kirchen behandelt.
Martin Herche