Bericht zur Partnerschaftsreise nach Warschau im Juni 2023

Dr. Petra Zimmermann, Berliner Dom  

„Kaum eine Reise hat mich so bewegt wie diese“, sagte ein Teilnehmer im Nachgespräch, und viele aus der Runde schlossen sich an. Eine Delegation von 12 Personen des Berliner Doms hatte sich gemeinsam mit Sängern und Musikern des Staats- und Domchores auf den Weg nach Warschau gemacht, um im Rahmen unserer Partnerschaft die St. Trinitatisgemeinde zu besuchen, ein Konzert zu geben und sich mit der aktuellen Situation in Polen vertraut zu machen. Unsere Partnerschaft, geschlossen am 1. September 2019 – und damit 80 Jahre nach dem Überfall der Deutschen Wehrmacht auf Polen – war durch die Corona – Pandemie weitgehend auf einen digitalen Austausch reduziert gewesen. Einzig zum 3. Oktober 2022 konnte eine kleine polnische Delegation den Berliner Dom besuchen, wo Pfarrer Dr. Gaś im Gottesdienst zum 3. Oktober die Predigt hielt. Umso gespannter war unsere Delegation auf Warschau.

Vielleicht war es die Gleichzeitigkeit der Eindrücke, die diese Fahrt so intensiv gemacht hat. Da war zum einen die Gastfreundlichkeit, mit der man uns begegnete und uns einen tiefen Einblick in die Arbeit der Gemeinde gewährte. Wir besuchten die Kindertagesstätte, das Schulzentrum und eine diakonische Einrichtung. Wir hörten von der Arbeit mit Geflüchteten aus der Ukraine, die von unserer Gemeinde und deren Freundeskreis finanziell unterstützt wird. Es herrschte eine positive Grundstimmung, auch unterstützt durch das stetige Wachstum der Gemeinde, das sich vor allem konvertierten katholischen Christen verdankte.

Und immer wieder war die Lage der evangelischen Minderheit in einem durch und durch katholisch geprägten Land, in dem die Ökumene kaum eine Rolle spielt, Thema der Gespräche. 

Es ist Wahlkampf in Polen, die Parlamentswahlen sollen im Oktober 2023 stattfinden. Und es war mit Händen zu greifen, wie stark die polarisierte Gesellschaft um die Fragen von Nationalität und Europa, von liberaler Demokratie und Autokratie ringt. Schon am ersten Abend gab das „3. Kuppel-Gespräch“ unter dem Titel „Die Kirche im öffentlichen Raum“einen ersten Einblick in die Rolle der Kirchen für die öffentliche Meinungsbildung in Polen und Deutschland.

Adam Bodnar, Professor an der SWPS-Universität und früherer Ombudsman für Menschenrechte, hielt den Eröffnungsvortrag und sprach über die Bedrohung der Demokratie durch die Verknüpfung von politischen Interessen mit den Interessen der Mehrheitskirche, deren beherrschende Stellung im öffentlichen Raum einen offenen Diskurs über Werte und Ziele verhindere. An der nachfolgenden Diskussion nahmen Dominika Koslowska, Vorstandsvorsitzende des Verlaginstituts „ZNAK“, Markus Meckel sowie später Dompredigerin Petra Zimmermann teil.

Pfarrer Gaś hatte in seinem Grußwort zu Beginn daran erinnert, dass an diesem Tag, dem 22. Juni vor 65 Jahren, die Wiedereinweihung der St. Trinitatiskirche nach der Zerstörung durch deutsche Bomber stattfand. Man kann diese Partnerschaft nicht führen, ohne das unermessliche Leid zu erinnern, das Deutschland über seinen Nachbarn Polen, über das europäische Judentum und so viele andere Länder gebracht hat. 

Und so besuchten wir am kommenden Tag das Denkmal am Warschauer Ghetto, den jüdischen Friedhof und das Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN. Prof. Dr. Ruth Leiserowitz, stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts Warschau, führte uns über den jüdischen Friedhof. Und Michal Leiserowitz führte uns durch das Museum der Geschichte der Polnischen Juden POLIN und hat uns mit seinen Erläuterungen einen tiefen Einblick ermöglicht. 

Den Abend verbrachten wir nach einer ausführlichen Kirchenführung beim gemeinsamen Abendessen mit Mitgliedern der St. Trinitatisgemeinde im Unterbau der Kirche und kamen mit manchen ins Gespräch. Einige unserer Gruppe sprachen polnisch, mit anderen verständigten wir uns auf Englisch, und wunderten uns oft darüber, wie viele der Gemeindeglieder auf Deutsch mit uns sprechen konnten. 

Am Samstagmorgen versammelten wir uns wieder in der Kirche. Es war der Morgen, als die Wagner-Truppen auf Moskau zufuhren und niemand wusste, was dies bedeuten könnte. In der Kirche probte der Staats- und Domchor für das abendliche Konzert. „No More War“, die Musik Frederic Rzewskis erfüllte den Raum. Wir saßen wie gebannt – und die politische Lage in Europa mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine war wie ein ständiges Hintergrundrauschen in den Gesprächen dabei. 

Am Abend gab der Staats- und Domchor ein Konzert in der St. Trinitatis-Kirche. Polnische, deutsche und syrische Musiker musizierten dazu. Es war für uns alle ein unvergesslicher Abend.

Am Sonntag dann ein gemeinsamer Gottesdienst mit der Staats- und Domchor, die Bitte um Frieden klang durch den Raum. 

Ein herzlicher Dank geht an die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Warschau, die unsere Reise so großzügig unterstützt hat.

Terminhinweis: Am Sonntag, den 17. September 2023, wird im Gottesdienst um 10 Uhr im Berliner Dom Dompredigerin Dr. Petra Zimermann in den Ruhestand verabschiedet. Dazu wird u. a. eine Delegation mit Pfr. Dr. Piotr Gaś aus der Partnergemeinde St. Trnitatis aus Warschau erwartet.