Der Danziger Paramentenschatz – wo ist sein Platz heute und in der Zukunft? 

Die Unterscheidung der Begriffe „Rückkehr“ und „Rückgabe“ hilft, die emotional aufgeladene Diskussion um den Danziger Paramentenschatz zwischen Vertretern der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) und dem Bund der Vertriebenen (BdV) bzw. der betroffenen landsmannschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen zu versachlichen. In der Sommerausgabe der Zeitschrift „Der Westpreuße“ hat Redakteur Tilman Asmus Fischer den Stand der Debatte dargestellt. Dokumentiert wird ein umfangreicher Brief von Bischöfin Petra Bosse-Huber an den BdV als Reaktion auf die vielfache Kritik an dem Vorhaben der UEK, ihre Eigentumsrechte am Danziger Paramentenschatz durch Schenkung an die Danziger Marienkirche zu übertragen. Dazu hatte es eine Presseerklärung im Dezember 2022 gegeben, in der die Unterzeichnung eines „Letter of Intent“ mit dem Erzbistum Danzig und der Katholischen Marienkirchengemeinde bekannt gegeben wurde. In ihrem jüngsten Brief unterstreicht Bischöfin Bosse-Huber, dass es gerade nicht um eine „Rückgabe“ gehe, da die Rechtsnachfolge und Eigentumsfrage eindeutig geklärt sei zugunsten der EKU/UEK. „Ersuchen des polnischen Staates zur „Rückführung“ solcher Gegenstände nach Polen wurden seit Jahrzehnten (und werden grundsätzlich weiterhin) von der EKU/UEK abschlägig beschieden.“ 

Es gibt eine Vorgeschichte bezogen auf die „Rückkehr“ von kirchlichen Kunstdenkmälern an ihre Ursprungsorte. So war der Dreifaltigkeitsaltar aus Danzig im März 2020, das Retabel aus der Gemäldegalerie Berlin und die Predella aus der Johanniskirche in Moabit, wo er seit Jahrzehnten als Leihgabe gelagert wurde, über einen Schenkungsvertrag an die Marienkirche in Danzig zurückgekehrt. Nach dem hier erprobten Modell könnte ebenso der Paramentenschatz an seinen Ursprungsort zurückkehren. „Die Absichtserklärung sieht außer der Eigentumsübertragung durch Schenkung und der Rückkehr der Paramente nach Danzig vor, dass, wie es schon gegenwärtig der Fall ist, auch künftig in Lübeck und Nürnberg (in den Museen, Anm. d. Red.) einzelne Paramente – dann als Leihgaben der Marienkirche Danzig – ausgestellt sein werden und dass ein gemeinsamer Fachbeirat die Umsetzung des Vorhabens begleitet.“ 

Letztlich bieten vergleichbare Verhandlungen die Möglichkeit, miteinander im ökumenischen und deutsch-polnischen Gespräch zu bleiben und hier wie dort zu vermitteln, welche Bedeutung die Kunstschätze für unser gemeinsames Kulturerbe haben, wie sie in Zeiten von Krieg und Vertreibung gerettet wurden und welche Verantwortung daraus erwächst. Die Bischöfin argumentiert: „Die Narration von einer gemeinsamen deutschen und polnischen, evangelischen und katholischen Geschichte an der Marienkirche Danzig [fordert] zur Entwicklung einer gemeinsamen europäischen und ökumenischen Zukunftsperspektive heraus.“ 

Zuletzt erschien im Rundbrief der Gemeinschaft Evangelischer Ostpreußen (GeO) ein Beitrag zur Diskussion aus der Perspektive der Enkelgeneration und bezogen auf die Rettung liturgischer Schätze aus der Löbenichtschen Kirche in Königsberg durch Pfarrer Hugo Linck. Seine Enkelin Henriette Piper beschreibt eindrucksvoll und sehr persönlich, welche Opfer ihr Großvater aufgebracht hatte, um den Kirchenschatz zu retten, darunter ein dreiteiliges Parament einer Altardecke aus dem Jahr 1711 (GeO Rundbrief 2-2023, S. 21ff). „Mein Großvater blieb bei seiner Gemeinde bis zur Ausweisung am 19.3.1948. In all den schweren Hungerjahren widerstand er der Versuchung, das kostbare Kirchengerät auf dem Schwarzmarkt zu versilbern und gegen Brot zu tauschen, das ihm und seiner Frau das Überleben für einige Zeit gesichert hätte.“ 
In der Argumentation für einen Verbleib solcher geretteten Kulturschätze in Deutschland ist immer die Rede von „Rückgabe“ an die heute polnischen (bzw. russischen) Gemeinden oder Museen, die abgelehnt wird. Die Union Evangelischer Kirchen (UEK) als Rechtsnachfolgerin der untergegangenen evangelischen Marienkirchengemeinde Danzig und Verhandlungspartnerin mit der polnischen Kirche spricht hingegen von „Rückkehr“ oder auch „Heimkehr“ an den Ursprungsort. 

Handelt es sich hierbei nur um Wortklauberei oder doch um einen rechtlich und inhaltlich entscheidenden Unterschied? Ist es nicht viel wichtiger, dass die Kulturschätze von den nachfolgenden Generationen gesehen und mit ihrer wechselhaften Geschichte wahrgenommen und damit ihre Botschaft verstanden wird?  

Der deutsch-polnische Fachbereit zur Begleitung des Prozesses der „Rückkehr“ hat sich Anfang Juni 2023 in Danzig konstituiert. Ihm gehören auf deutscher Seite an: Dr. Dagmar Täube (Lübeck), Prof. Dr. Gerhard Weilandt (Greifswald), OKR Dr. Christoph Thiele (Hannover), OKR Dr. Henning Pahl (Berlin, Pfarrer i.R. Dr. Marin Evang (Hannover/Heiligengrabe) sowie – als ständiger Gast – Pfarrer i.R. Dr. Justus Werdin (Frankfurt/Oder). Von polnischer Seite wurden berufen: Hanna Bigos (Danzig), Prälat Ireneusz Bradtke (Danzig), Kanonikus Pfr. Adam Kołkiewicz (Danzig), Dr. Natalia Krupa (Krakau) und Prof. Dr. Tomasz Torbus (Danzig). Die erste Sitzung des Fachbeirates wurde begleitet durch eine ökumenische Vesper in der Marienkirche, die Erzbischof Wojda leitete und bei der Bischöfin Bosse-Huber predigte. Im Anschluss wurde, ebenfalls in der Marienkirche, eine Fotoausstellung zu den Danziger Paramenten eröffnet. 

Wir laden ein, sich an den Diskussionen dieses Fachbeirates durch konstruktive Beiträge zu beteiligen.