Erinnerung an die Anfänge der Christlichen Begegnungstage 

von Bischof em. Klaus Wollenweber         

Die „Christlichen Begegnungstage“ (CBT) nannten sich ursprünglich „Ökumenische Begegnungstage“ (ÖBT). Im September 1991 wurden sie auf Anregung des Görlitzer Pfarrkonventes ins Leben gerufen. Dieser stellte Überlegungen an, wie die bestehenden Kontakte zu den christlichen Gemeinden in Osteuropa nach den gesellschaftlich-politischen Veränderungen am 9.November 1989 in Deutschland beibehalten und neu gestaltet werden können. Denn es boten sich plötzlich vielfältige Möglichkeiten der Kontaktaufnahme in neuer geschenkter Freiheit. 

Die Einladung an evangelische Gemeinden in der Diözese Breslau und an die Ev. Kirche der Böhmischen Brüder in Prag zu einem gemeinsamen Treffen in Görlitz erging über die Superintendentur Görlitz. Da von Bischof Ryszard Bogusz aus Breslau umgehend Zustimmung kam, konnten die ÖBT noch gemeinsam vorbereitet werden. Programmatisch war das gemeinsam erarbeitete Thema: „Mit der Vergangenheit vor einer gemeinsamen Zukunft der Christen aus Polen, Deutschland und Tschechien“. In Berichten ist festgehalten, dass 1991 in Görlitz ca. 150 Personen aus Polen und ca. 30 Personen aus der Tschechischen Republik / Prag teilgenommen haben, die fast alle in Privatquartieren untergebracht waren. Die sprachliche Verständigung ging „mit Händen und Füßen“. Eingebunden in ein Zeichen des Vertrauens, des gegenseitigen Respekts und der Bereitschaft zum versöhnenden Handeln waren ein gemeinsames Chorprogramm, je ein polnischer und ein deutscher Vortrag zur Situation der jeweiligen Kirche und ein geistlicher Abschluss mit Ansprache, Gebet und Reisesegen. Die Geschwisterlichkeit fand so viel Ermutigung, dass ein weiteres Treffen für 1994 in Niesky /OL verabredet wurde.

So geschah es – nun auch mit Unterstützung der Kirchenleitung der Ev. Kirche der schlesischen Oberlausitz (EKsOL), die eine herausfordernde Gabe und Aufgabe in diesen Begegnungen sah. Im Vorbereitungsteam der drei Länder einigte man sich auf die Thematik: „Glauben leben in Familie und Gemeinde“. Eine Besonderheit der 2. ÖBT Ende September 1994 in Niesky war das gemeinsam entworfene und in Polen gedruckte, dreisprachige Liederheft, das fortan immer wieder erweitert wurde. An diesem Begegnungstreffen nahmen schon über 300 Personen aus den drei Ländern teil, die miteinander sangen, über Bibeltexte sich austauschten und das gegenseitige Kennenlernen intensivierten. Im großen Abschlussgottesdienst sprach der ev. Bischof Pawel Anweiler aus Südpolen die Einladung aus zu den 3. ÖBT im September 1996 nach Wisla im Teschner Schlesien in Polen (Diözese Bielsko-Biala).

An diesem Treffen 1996 nahmen über 600 ev. Christinnen und Christen aus drei Ländern teil. Bei unserer Unterbringung in polnischen Familien erlebten wir engagierte Gastfreundschaft und zugleich Versöhnung mit Menschen, die ihrerseits mit Deutschen nicht immer gute Erfahrung gemacht hatten. Versöhnung erfahren durch Erleben in Begegnung. Zu folgender Thematik fanden sich alle Teilnehmenden zusammen: „Versöhnung – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens“. In Groß- und Kleingruppen wurde viel gesungen, wurde über biblische Texte zum Thema gesprochen, und es kamen ganz viel eigene Erfahrungen und Erlebnisse zum christlichen Glauben zur Sprache. Die eindrucksvolle, große evangelische Abschlussveranstaltung auf dem Marktplatz von Wisla fand im katholischen Polen sogar im Fernsehen Aufmerksamkeit. Da auch Teilnehmende aus der „Schlesischen Evangelischen Kirche AB“ aus der Tschechischen Republik dieses Treffen mit gestalteten, luden Vertreter dieser Kirche für 1999 zu den nächsten ÖBT nach Ceský Tésin in die Tschechische Republik ein. 

Auf dem Weg zu diesen 4. ÖBT vertieften sich die Beziehungen zwischen der polnischen Diözese Breslau und der EKsOL. Sie schlossen einen Partnerschaftsvertrag und unterzeichneten diesen 1997 in einem gemeinsamen, festlichen Abendmahlsgottesdienst in der Friedenskirche zu Schweidnitz / Polen. 

Ende September 1999 fanden die 4.ÖBT unter dem Thema „Nachfolge Christi – Wege der Hoffnung“ im schlesischen Tschechien statt. Bedeutend war, dass – wie schon 1996 – in besonderer Weise eine grenzüberschreitende Begegnung in evangelischer Gemeinschaft in dem seit 1920 geteilten Teschner Land (Polen und Tschechien) problemlos stattfand. Da die gastgebende tschechische Kirche auch evangelische Christen aus der Slowakei eingeladen hatte, wurde jetzt aus dem „Dreiländer-Begegnungstreffen“ ein „Vierländer-Begegnungstreffen“ mit über 1000 Teilnehmenden. Das Logo mit den vier Händen, die sich einander zustrecken, prägte fortan äußerlich und inhaltlich diese Begegnungstreffen.

In dem gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst zum Abschluss sprach Bischof Klaus Wollenweber im Namen seiner Kirchenleitung die Einladung zu den 5.ÖBT Anfang Juni 2002 in Görlitz aus. Dieses große Treffen fand unter der Thematik statt: „Gemeinsam auf dem Weg“. Bestehende Mauern in menschlichen Köpfen und festgelegte Ländergrenzen können nicht verhindern, dass der Geist Gottes weht, wo er will. Dies geschah in den Begegnungen, ohne dass die Vergangenheit ausgeblendet oder gar unter den Teppich gekehrt wurde. Auf dem Weg der Versöhnung lernten wir immer neu mit den unterschiedlichen Erlebnisgeschichten aus der Vergangenheit für die Zukunft des Zusammenlebens ev. Christenmenschen. Wichtig geworden war ebenso die öffentliche Wahrnehmung eines europäischen Christentreffens in einer weitgehend entkirchlichten Gesellschaft. 

Die immer größer werdende Teilnehmerzahl an diesen Treffen bedingte jedoch auch neue Überlegungen im Blick auf die Unterbringung der Gäste, die mehrsprachige Programmgestaltung und vieles andere mehr. Außerdem waren die kirchlichen und politischen Veränderungen mit zu bedenken: Der Neubildungsprozess einer deutschen Landeskirche aus der ehemaligen Ev. Kirche Berlin-Brandenburg (EKBB) und der EKsOL führte 2004 zur Bildung der „Ev. Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz“ (EKBO). Die Erweiterung der Europäischen Union (EU) um 10 mittel- und osteuropäische Staaten (z.B. Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) brachte das aktuelle Thema „Europa und die ev. Kirchen“ auf die Tagesordnung. In dieser mehrschichtigen Situation lud der Synodalsenior der Ev. Kirche der Böhmischen Brüder, Pawel Smetana, zu den 6. ÖBT im Juni 2005 nach Prag ein. Das Thema lautete: „zur Hoffnung eingeladen“. Aufgrund der Erweiterung der Einladung an ev. Kirchen in Europa wurde der bisherige Name ÖBT in „Christliche Begegnungstage“ (CBT) verändert. Die erfreuliche, kirchliche Entwicklung auf dem Weg der Versöhnung auf europäischer Ebene fand große Zustimmung. „Die Stimme der Kirchen in Europa“ fand Widerhall. Frauen und Männer aus unterschiedlichen Ländern haben diese Begegnungstreffen wie Brückenpfeiler getragen.

Auf diesem Fundament aufbauend fanden die weiteren CBT im Juni 2008 in Bratislava / Slowakei mit dem Thema „Mit Christus verbunden – gemeinsam in Europa“, im Juni 2011 in Dresden zum Thema „… da wird Dein Herz sein“, im Juli 2014 in Breslau zum Thema „Frei sein in Christus“ und Juli 2016 in Budapest zum Thema „Ihr seid das Salz der Erde“ statt. Die geplanten CBT 2020 in Graz fielen wegen der Corona-Pandemie aus. Die nächsten CBT finden vom 7. – 9. Juni 2024 in Frankfurt / Oder statt.