Meine Christlichen Begegnungstage

von Gerhard Frey-Reininghaus, Ökumene-Referent der EKBB von 1996 bis 2017, Prag.

Es war wohl im Jahr 1997, als Bischof Klaus Wollenweber von der Evangelischen Kirche der Schlesischen Oberlausitz (EKSOL) die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder (EKBB) in Prag besuchte. Von diesem Besuch ist mir eine Begegnung in besonderer Erinnerung. Wir saßen im Amtszimmer des damaligen Synodalseniors Pavel Smetana. Synodalsenior Smetana, Bischof Wollenweber und ich. Nicht allzu lange vorher, am 1. September 1996, hatte ich mein unerwartetes Amt als Ökumene-Referent der EKBB angetreten. So war ich immer noch dabei, Vertreter der Kirchen kennenzulernen, mit denen die EKBB intensive Beziehungen pflegte. Die EKSOL gehörte eindeutig zu diesen Kirchen. Wie geschwisterlich diese Beziehungen waren, hatte ich schon im Herbst 1996 erlebt, als ich an der Synode der EKSOL teilnehmen durfte und dabei sehr herzlich empfangen wurde.

Bei unserem Gespräch ging es um die Pflege dieser Beziehungen. Und da hatte Bischof Wollenweber ein ganz besonderes Anliegen mitgebracht. Er wollte für eine zahlreiche Beteiligung der EKBB an den Christlichen Begegnungstagen werben. Dabei hat er uns erzählt, wie sich die Christlichen Begegnungstage seit dem ersten Treffen 1991 in Görlitz entwickelt hatten. Das letzte Treffen hatte gerade 1996 im polnischen Wisla stattgefunden. An diesem Treffen hatte auch eine kleine Gruppe der EKBB teilgenommen, und zwar so klein, dass sie in einen PKW passte. Bischof Wollenweber wollte nun dazu einladen, dass sehr viel mehr Menschen aus der EKBB am nächsten Treffen teilnehmen sollten. Er erzählte von seiner Vision eines mittel-europäischen Kirchentages, bei dem sich die Menschen in neuer Freiheit begegnen und diese neue Freiheit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs auch miteinander feiern sollten. Das nächste Treffen sollte 1999 in Český Těšín im Teschener Land, also zum ersten Mal in Tschechien stattfinden. Das Gespräch endete mit dem Versprechen von Synodalsenior Smetana, möglichst viele Menschen aus der EKBB zu den Christlichen Begegnungstagen in das Teschener Land einzuladen. Für eine Teilnahme von wesentlich mehr Menschen aus der EKBB war Český Těšín ein guter Ort. Denn auch unsere Kirche hat im tschechischen Schlesien Gemeinden, die es nicht sehr weit zu diesem Treffen hatten. Und in der Tat: es haben viele Menschen am Treffen in Schlesien teilgenommen, auch aus der EKBB. An zwei Veranstaltungen kann ich mich dabei besonders gut erinnern. Zum einen an einen bunten Nachmittag mit vielen Kirchen- und Posaunenchören, bei dem die Erfahrung des Miteinanders und der gemeinsamen Freude besonders stark war. Das war mein erstes großes Gemeinschaftserlebnis der Begegnungstage, das noch lange nachwirkte. Die zweite Veranstaltung war ein Gottesdienst der Schlesischen Kirche Augsburger Bekenntnisses in Orlova. Hier durfte ich predigen, als Deutscher, der in einem polnisch-sprachigen Gottesdienst auf Tschechisch predigte. So habe ich gelernt, wie die polnisch-tschechische Geschichte bis heute das praktische Leben der Gemeinden im tschechischen Schlesien prägt.

Seit dem Treffen in Český Těšín bin ich also dabei und habe seither alle Treffen der Begegnungstage miterlebt und oft auch mitgestaltet. Beim nächsten Treffen in Görlitz im Frühjahr 2002 waren es dann schon an die 250 Teilnehmende von der EKBB, die sich auf den Weg nach Görlitz gemacht haben. Gemeindegruppen sind in Bussen angereist, auch Chöre und Musikgruppen, Referenten, Prediger, Künstler. Hier gab es schon eine intensive Vorbereitung an einem Wochenende in der Kreuzbergbaude in Jauernick bei Görlitz und auch eine Nachbereitung. Vor dem Treffen in Görlitz wurde die EKBB gefragt, ob wir bereit wären, für die Austragung des nächsten Treffens die Verantwortung zu übernehmen. Der Synodalrat, also die Kirchenleitung der EKBB, hat zugesagt, zu den nächsten Christlichen Begegnungstagen nach Tschechien einzuladen. Das war keine einfache Entscheidung. Schaffen wir das personell und finanziell?   Die Entscheidung musste vor dem Treffen in Görlitz fallen. Als wir gesehen haben, wie viele Menschen am Treffen in Görlitz interessiert sind, waren wir überzeugt, dass es auch unsere Kirche schaffen wird, Christliche Begegnungstage in Tschechien zu veranstalten. Freilich hatten wir gleich das Problem, dass in den Städten, die wir als Veranstaltungsorte ins Auge gefasst hatten, wie zum Beispiel Hradec Králové, keine Gemeinden unserer Kirche waren, die sich in der Lage sahen, für eine so große Aktion die Verantwortung zu übernehmen. Uns ist nur eine Lösung dieses Problems eingefallen: die Christlichen Begegnungstage 2005 werden in Prag stattfinden. Hier haben wir 20 Gemeinden der EKBB. Hier gibt es andere Kirchen, die sich auch für die Begegnungstage interessieren und hier gibt es im Stadtzentrum viele römisch-katholische Kirchen, die vielleicht auch ihre Tore für Veranstaltungen der CBT öffnen werden, was sie dann auch getan haben.

Sehr bald wurde uns klar: Wenn die Christlichen Begegnungstage in Prag stattfinden, dann müssen wir den Kreis der Kirchen, die wir zu diesem Treffen einladen, wesentlich erweitern. Und dies haben wir auch getan. Wir haben Nachbarkirchen in Deutschland eingeladen, die bis jetzt nicht an den CBT beteiligt waren: die Evangelisch-Lutherische Kirche in Sachsen und in Bayern. Auch weitere Kirchen wie die Evangelische Kirche in Württemberg waren dabei. Und natürlich auch die EKD und ihr Ratsvorsitzender Bischof Wolfgang Huber. Und neben der Slowakei, die schon in Görlitz dabei war, haben wir die lutherischen und reformierten Kirchen in Österreich und in Ungarn eingeladen. Und alle haben die Einladung angenommen. Das war also eine wesentliche Erweiterung des ursprünglichen Dreigespanns von EKSOL, Evangelische in Polen und Tschechien. Und so wurde aus dem regionalen Kirchentag ein mitteleuropäisches Ereignis. Und dies ist so bis heute geblieben und entwickelt sich noch weiter. So werden zum Beispiel in Frankfurt an der Oder/Slubice auch die Evangelischen aus der Ukraine eine wichtige Rolle spielen. 

So wichtig wie die großen Treffen waren, so wichtig waren für mich auch die intensiven Vorbereitungstreffen für Prag, Bratislava, Dresden, Breslau und Budapest. Es waren intensive Wochenenden, an denen wir gemeinsam die aktuelle Situation in den Kirchen diskutiert haben. Wir haben dabei einander kennen und schätzen gelernt. Wohl für alle war es auch eine wunderbare Gelegenheit, voneinander zu lernen. Bei diesen Treffen entstand ein Netz von Beziehungen, das wesentlich zur Vernetzung zwischen den mitteleuropäischen Kirchen beigetragen hat. Für mich ein wichtiger Beitrag für dieses neue Europa, dessen Teil wir alle sind.

Das Prager Treffen habe ich am intensivsten erlebt, weil ich zusammen mit meinem großartigen Team für die Vorbereitung und Durchführung verantwortlich war, was mir nicht wenige schlaflose Nächte eingebracht hat. Doch die Zusammenarbeit in einem großen Team war eine wunderbare Erfahrung, an die ich mich sehr dankbar erinnere. Sowohl auf internationaler Ebene wie hier im Prager Vorbereitungsteam, an dem viele engagierte Leute beteiligt waren – aus der EKBB wie aus anderen Kirchen einschließlich der römisch-katholischen Kirche, gab es eine intensive Zusammenarbeit, bei der wir viel voneinander gelernt haben. Wenn ich heute an Mitteleuropa und seine Kirchen denke, dann fallen mir vor allem die Menschen ein, mit denen wir im Rahmen der CBT ein Stück gemeinsam gegangen sind. 

Auch wenn sich vieles in den letzten Jahren verändert hat, so habe ich doch die Hoffnung, dass solche Treffen wie die CBT auch weiterhin Menschen finden, die gerne über den eigenen kirchlichen Tellerrand blicken und offen sind für die Begegnung mit Menschen aus anderen Ländern und Kirchen. In diesem Sinne freue ich mich sehr auf die Christlichen Begegnungstage in Frankfurt/Oder und Słubice.