Olsztyn (Allenstein) hat einen neuen Bahnhof: Anfang 2023 wurde der Innenstadtbahnhof Olsztyn-Śródmieście eröffnet. Zuvor war das Gelände jahrzehntelang als Garagenhof benutzt worden, einer von vielen zwischen den Häusern auf der Nordseite der Partyzantów-Straße und den zum Hauptbahnhof führenden Gleisen. Bei den ersten Erdarbeiten wurde allerdings festgestellt, dass hier, im bis dahin deutschen Allenstein, vor 1945 ein evangelischer Friedhof existiert hatte. (…)
Dank des Engagements von Aktivisten des Vereins Święta Warmia (Heiliges Ermland), der evangelischen Kirchengemeinde und der Stadtverwaltung wurde beschlossen, respektvoll mit diesen deutschen Hinterlassenschaften umzugehen: Eine Gedenkstätte für den verlorenen Friedhof wurde in die Pläne für den neuen Bahnhof mit aufgenommen.
Der Entwurf des Architekturbüros Gadomscy ist schlicht: Flankiert von Betonwänden, auf denen die Jahre des Bestehens des Friedhofs (1873–1947) eingraviert sind, wurde ein mit weißen Steintafeln verkleideter Gedenkpavillon errichtet, in dem, wie auch auf weiteren Steintafeln auf dem Gelände, die Namen der über 1.300 hier bestatteten Personen eingraviert sind. Darunter ist auch Oskar Belian (1832–1918), der ehemalige Bürgermeister von Allenstein, der während seiner Amtszeit von 1903 bis 1908 die Stadt maßgeblich modernisierte. Einige Fundstücke des ehemaligen Friedhofs wie eine Garagenmauer mit einem eingearbeiteten Grabstein wurden mit in die Gedenkstätte integriert. Im Gedenkpavillon befinden sich außerdem zwei Schautafeln, die die Geschichte des Ortes mit alten Karten und Fotos beschreiben. In seiner behutsamen und doch offenen Annäherung an ein heikles deutsch-polnisches Thema ist der Gedenkpark in Olsztyn repräsentativ dafür, wie deutsche Hinterlassenschaften – physisch und metaphorisch – in Polen heute mit zeitgenössischen Mitteln kontextualisiert werden und im öffentlichen Bewusstsein präsent bleiben. Die Gedenkstätte wurde zu Recht mit dem Preis der Vereinigung Polnischer Architekten (SARP) 2023 ausgezeichnet.
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Aus: DIALOG Forum online, 02. September 2024: Marcel Krueger, „Ehemals deutsch“ in der deutschen und polnischen Kunst – Eine Momentaufnahme. Hier geht es zum Artikel.
Foto: M. Wieliczko. Quelle: DIALOG Forum online