Das Objekt Nr. 1 ist ein blauer Emaillekochtopf

Ende Januar 2024 fand die feierliche Eröffnung des neugestalteten Heimatmuseums der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen in Stuttgart statt. Die Ausstellung gibt einen Einblick in das damalige Leben der Deutschen im Gebiet, das heute zu Moldawien und der Ukraine, bzw. zum Grenzgebiet zwischen Südostrumänien und Nordostbulgarien gehört. Auch die Zeit des Nationalsozialismus, die Umsiedlung nach Polen und Flucht und Vertreibung werden nicht ausgespart. Museumskurator Olaf Schulze macht in der Februarausgabe des Mitteilungsblatts des Bessarabiendeutschen Vereins Lust zu einem Besuch der Ausstellung:

Auch Geschichte (und nicht nur die Liebe) geht offensichtlich „durch den Magen“.
Im neugestalteten und am 21. Januar diesen Jahres feierlich eröffneten Heimatmuseum der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen findet man in prominenter, gut sichtbarer Stelle in Raum 1 eine kleine Inszenierung von Objekten, verknüpft mit einer Informationstafel, die auf eine Fensterscheibe aufgezogen wurde.
„Wer hier den Deckel vom Topfe hebt, mit einem Rezept nach Hause geht.“ 
liest man unten rechts auf der Tafel und dazu folgenden Text:
„Pfeffersoß“ und „Strudla“. Die Küche der Bessarabiendeutschen

Woran erkennt man in der Gegenwart des frühen 21. Jahrhunderts, über 80 Jahre nach der Umsiedlung 1940, einen Menschen bessarabiendeutscher oder auch dobrudschadeutscher Herkunft?
Die Sprache ist es kaum noch, zu sehr haben sich die jüngeren Generationen, vor allem die nach 1945 geborenen ihrer Umgebungssprache angepasst. Eine landwirtschaftliche Tätigkeit üben auch nur noch ganz wenige aus, hier unterscheidet sie nichts von den übrigen Gegenwartsdeutschen.
Verbindend sind die Geschichten – aus Bessarabien, der Dobrudscha, von der Umsiedlung, Lagerzeit, Ansiedlung in Polen und Flucht 1945, wenn sie erzählt und nicht verschwiegen werden.
Vor allem aber ist es die bessarabien- bzw. dobrudschadeutsche Küche, die sich, zumindest an familiären Festtagen, erhalten hat, deren Rezepte von Generation zu Generation weitergegeben wurden und werden. Und so haben sich „Grünborscht“, die berühmte warm oder kalt zu geniesende „Pfeffersos“ (also Paprikasose) und die „Strudla“ als besondere Beilage nicht nur im Bewusstsein sondern auch auf den Tellern erhalten. Eine Vorliebe für Wassermelonen im Sommer kommt ebenfalls hinzu (die „Harbuse“ oder „Arbuse“) oder auch für „Mamlik“, eine Art Maisbreipolenta.
In Bessarabien lernten die Deutschen, dass „Mais“ nicht nur „Viehfutter“ ist, sondern auch ein durchaus schmackhaftes „Menschenfutter“.
Dieser blau emaillierte Metalltopf mit Deckel hat eine besondere Geschichte. Er ist – seit den 1990er Jahren – das „Objekt Nr.1“ der Sammlung des Heimatmuseums. Der große Kochtopf stammt aus der Familie des Johannes Klett (1891- 1972) aus Mathildendorf, der ältestenTochterkolonie von Borodino, die 1858 gegründet wurde. Wir haben das Glück, dass wir nicht nur diesen mindestens 84 Jahre alten Kochtopf samt Deckel in unseren Museumsbeständen haben, sondern auch Fotos der Familie Johannes Klett aus Mathildendorf in Bessarabien, den Besitzer des blauen Topfes, der noch in Bessarabien in Gebrauch war, der die Umsiedlung, Lagerzeit, Neuansiedlung in Polen und die Flucht im Januar 1945 überstanden hat. Zu den Fotos gehört auch das Hochzeitsfoto von Johannes und Theresia Klett und Theresia wird aus diesem Topf im Laufe seiner aktiven Nutzung viele Speisen „gezaubert“ haben.
Heute können die Besucher farblich gekennzeichnete Rezepte mit nach Hause nehmen, nachdem sie den Emailledeckel angehoben haben. In welchem Museum darf man das sonst noch? Hier heißt es ausdrücklich: „Berühren erlaubt.“

Das Heimatmuseum der Bessarabien- und Dobrudschadeutschen befindet sich in der Florianstraße 17, 70188 Stuttgart. Es ist Montag- Freitag von 10 bis 17 Uhr geöffnet.